Der Moskauer an sich
Tief in ihrem Innern verabscheuen die Moskauer Blumen. Sonst würden sie wohl kaum in vielen Läden viel zu teure Blumen verkaufen, die schon viel zu lange kein Wasser mehr gesehen haben. Und wenn wir schon einmal beim Verallgemeinern sind: Die Moskauer sind Masochisten. Sonst würden Sie nicht in Schuhen rumlaufen, die zu klein, zu unbequem, zu stöcklig sind und auf keinen Fall das, was Herr Birkenstock empfiehlt.
Viele Blumenläden, viele Schuhläden - Darf man von einer Auffälligkeit in der Konsumlandschaft einer Stadt gleich auf die ganze Gesellschaft schließen? Man kann es ja mal versuchen. In meiner norddeutschen Heimatstadt zum Beispiel gibt es meiner Meinung nach überproportional viele Supermärkte und Apotheken. Ich halte deshalb – mich selbstverständlich ausgeschlossen – meine Mitmenschen generell für verfressen und hypochondrisch.
Das Komische: Es ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass Moskauer Frauen und Männer übermäßig botanisch interessiert wären. Blumen in der Öffentlichkeit sehe ich eigentlich nur, wenn Schulklassen geschlossen, jeder Schüler mit einer Nelke in der Hand, zum Ehrenmal wandern. Oder aber am Internationalen Frauentag, an dem offensichtlich aus rein traditionellen Gründen jeder Chef und Kollege, der morgens nicht mit einem riesigen Bouquet ankommt, mit Schimpf und Schande aus dem Büro gejagt wird. Gut, einige Male erblickte ich schon einen bleichen Jüngling, der mit der Rose in der verkrampften Faust auf dem Metro-Bahnsteig auf die Angebetete wartete. Aber allein von pupertierenden Jungen kann die aufgeblasene russische Blumenindustrie doch nicht leben. Kann aber gut sein, dass drei Anlässe im Jahr – Frauentag, Geburtstag, Valentinstag – genügen, um die Kassen zu füllen. Neulich erstand ich zwei Blümchen mit hängenden Köpfen, mit denen ich Gäste am Flughafen empfangen wollte. Ich hätte wohl genauso gut bei Greenpeace in einen Hektar Urwald investieren können. Preislich wäre dasselbe bei rausgekommen – ökologisch verantwortlicher wäre es sowieso. Bleibt also nur ein Schluss: Es gibt in Moskau viel zu viele Blumenläden für viel zu wenig Blumenliebhaber, die Moskauer hassen Blumen und sowieso alles, was grün ist.
Wenn man dann am Blumenladen vorbei ist, dauert es nicht lange und der erste Schuhladen taucht auf, danach die Schuhreparatur, danach der Fachhandel für Einlegesohlen. Keine Ahnung, warum die Russen so ein inniges Verhältnis zu ihrem Schuhwerk pflegen. Ein Bekannter, der mich regelmäßig besuchen kommt, weist nach der Begrüßung immer auf die Krönung seines Stylings, das untere Ende seines Kleidungs-Gesamtkunstwerks, hin. Mal wieder neue Schuhe, so teuer wie meine Monatsmiete, zwicken ein bisschen am großen Zeh, dafür aber echt Leder. Über die Stiletto-Absätze der Frauen, ist schon zu viel geschrieben worden. Am Ende fallen einen nur noch die Worte Selbstverstümmlung, Qual und – für die medizinisch Gebildeten - Wirbelsäulenverkrümmung ein.
Wenn nun also die Schuhe krank machen und die Blumen keiner will, warum gibt es dann aber so viele Läden, die genau diese Produkte verkaufen? Weil der Moskauer an sich – ohne Ausnahme - ein Masochist ist und das auch ein Blumenstrauß im Jahr nicht ändern kann. Quod erat demonstrandum!
Viele Blumenläden, viele Schuhläden - Darf man von einer Auffälligkeit in der Konsumlandschaft einer Stadt gleich auf die ganze Gesellschaft schließen? Man kann es ja mal versuchen. In meiner norddeutschen Heimatstadt zum Beispiel gibt es meiner Meinung nach überproportional viele Supermärkte und Apotheken. Ich halte deshalb – mich selbstverständlich ausgeschlossen – meine Mitmenschen generell für verfressen und hypochondrisch.
Das Komische: Es ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass Moskauer Frauen und Männer übermäßig botanisch interessiert wären. Blumen in der Öffentlichkeit sehe ich eigentlich nur, wenn Schulklassen geschlossen, jeder Schüler mit einer Nelke in der Hand, zum Ehrenmal wandern. Oder aber am Internationalen Frauentag, an dem offensichtlich aus rein traditionellen Gründen jeder Chef und Kollege, der morgens nicht mit einem riesigen Bouquet ankommt, mit Schimpf und Schande aus dem Büro gejagt wird. Gut, einige Male erblickte ich schon einen bleichen Jüngling, der mit der Rose in der verkrampften Faust auf dem Metro-Bahnsteig auf die Angebetete wartete. Aber allein von pupertierenden Jungen kann die aufgeblasene russische Blumenindustrie doch nicht leben. Kann aber gut sein, dass drei Anlässe im Jahr – Frauentag, Geburtstag, Valentinstag – genügen, um die Kassen zu füllen. Neulich erstand ich zwei Blümchen mit hängenden Köpfen, mit denen ich Gäste am Flughafen empfangen wollte. Ich hätte wohl genauso gut bei Greenpeace in einen Hektar Urwald investieren können. Preislich wäre dasselbe bei rausgekommen – ökologisch verantwortlicher wäre es sowieso. Bleibt also nur ein Schluss: Es gibt in Moskau viel zu viele Blumenläden für viel zu wenig Blumenliebhaber, die Moskauer hassen Blumen und sowieso alles, was grün ist.
Wenn man dann am Blumenladen vorbei ist, dauert es nicht lange und der erste Schuhladen taucht auf, danach die Schuhreparatur, danach der Fachhandel für Einlegesohlen. Keine Ahnung, warum die Russen so ein inniges Verhältnis zu ihrem Schuhwerk pflegen. Ein Bekannter, der mich regelmäßig besuchen kommt, weist nach der Begrüßung immer auf die Krönung seines Stylings, das untere Ende seines Kleidungs-Gesamtkunstwerks, hin. Mal wieder neue Schuhe, so teuer wie meine Monatsmiete, zwicken ein bisschen am großen Zeh, dafür aber echt Leder. Über die Stiletto-Absätze der Frauen, ist schon zu viel geschrieben worden. Am Ende fallen einen nur noch die Worte Selbstverstümmlung, Qual und – für die medizinisch Gebildeten - Wirbelsäulenverkrümmung ein.
Wenn nun also die Schuhe krank machen und die Blumen keiner will, warum gibt es dann aber so viele Läden, die genau diese Produkte verkaufen? Weil der Moskauer an sich – ohne Ausnahme - ein Masochist ist und das auch ein Blumenstrauß im Jahr nicht ändern kann. Quod erat demonstrandum!
Mischkala - 11. Sep, 20:29

Ich bin ein Fan russischer Eisenbahnen. Je länger, desto besser. Man setzt sich abends in den Zug, schläft eine Weile und wacht morgens in St. Petersburg oder sonstwo auf. Gut, man muss schon ein Auge für den abgewetzten Charme der Liegen haben. Man sollte auch nichts dagegen haben, wenn die Tür, die zu Toilette, Abfall und Raucherabteil führt, ständig gegen die Füße schlägt. Klar, nach 25 Stunden Fahrt fühlt sich der Körper an, als habe man nicht im sondern unter dem Zug gelegen. Gelenkig muss man sein, um die oberen Liegen zu erklimmen, geruchsunempfindlich, um auch noch nach einer Nacht Hochbetrieb den Gang zur Toilette zu wagen, trinkfest, falls der Nachbar ein oder zwei Wodkaflaschen zum Einschlafen mitbringt.
Ich habe noch nie eine Atemmaske getragen. Fand ich immer albern. Auch als die Moskauer sich im Winter wegen der Schweinegrippe massenweise Mund und Nase verhüllten. Jetzt bin ich meinen eigenen Prinzipien untreu geworden. Dabei hilft das weiße Tüchlein vor meinem Gesicht nach Aussagen aller Experten herzlich wenig gegen Kohlenstoffmonoxid, -dioxid und was gerade sonst noch die Moskauer Luft verpestet. Aber ich bilde mir ein, dass die Atemluft dann etwas weniger in der Kehle brennt, dass sie viel weniger nach Metall schmeckt. Selbst die Augen brennen weniger.
Wenn ich es richtig verstanden habe, gilt es aus dem Ballett "Schwanensee" zwei Lehren zu ziehen. Für Frauen: Traue nie einem Typen, der aussieht wie der Bösewicht von Kampfstern Calactica und sich nachts an irgendwelchen Teichen rumtreibt! Für Männer: Laufe nie dem erstbesten kurzen Rock hinterher! Könnte ja sein, dass es der kurze Rock eines intriganten Weibstückes ist.
Mag ja im übrigen sein, dass Schwanensee (russisch: Lebedinoje osero) ein ganz tolles Ballett ist. Selbst ich, die ich doch bei Klassik öfter mal weg- als hinhöre, muss zugeben, dass die ein oder andere Melodie mir durchaus bekannt vorkam. Was allerdings den Spannungsfaktor angeht, kann man stattdessen auch einem Gänseblümchen beim Wachsen zuschauen. Die Handlung beschränkt sich doch eher auf Nebensächlichkeiten. Es ist nicht gerade nervenzerfetzend, wenn Prinz Siegfried den ganzen ersten Satz lang seinen 21. Geburtstag feiert. Selbst dann nicht, wenn er ein Buch geschenkt bekommt und damit dann die ganze Zeit herumfuchtelt. Haben denn die Tschaikowskis dieser Welt noch nie etwas von dem klassischen Aufbau eines Dramas gehört? Spannungsaufbau, Verzögerung, Höhepunkt. Bis am Ende alle tot sind. Beim Schwanensee hingegen konnten sich die Dramaturgen noch nie entscheiden. Wer erliegt denn nun in der großen Schlussshow? Der Bösewicht? Das Liebespaar? Oder gar alle zusammen? In St. Petersburg wird diese Saison die Weichspüler-Variante gezeigt. Alle überleben irgendwie, so schön kann das Leben sein. 
Im Park vom Peterhof gibt es gefühlte 500 Springbrunnen, einer höher als der andere. Einer von ihnen, der Neptunbrunnen, stammt ursprünglich aus Nürnberg. Dort hatte man, als der Brunnen endlich fertig war, festgestellt, dass gar nicht genug Geld da ist, um das Wasser zum Brunnen zu leiten. Ein paar Jahre versteckten die Nürnberger Stadtväter die Kostbarkeit noch im Keller, dann mussten sie den Brunnen doch zwangsweise an den Peterhof verkaufen. Die Russen hatten nämlich kein Problem mit dem Wasser. Das gab es ja direkt vor der Haustür und wird heute noch ganz ohne Pumpen nur mit Gefälle zu den Brunnen und Kaskaden geleitet. 



Mitternacht in Wyborg. Vor einer halben Stunde ist die Sonne hinterm Horizont versunken. Trotzdem ist es noch hell. Da liegt man da, in seinem Hotelbett, schlaflos, rastlos, und macht sich so seine Gedanken über Wyborg. 