Samstag, 11. September 2010

Der Moskauer an sich

Tief in ihrem Innern verabscheuen die Moskauer Blumen. Sonst würden sie wohl kaum in vielen Läden viel zu teure Blumen verkaufen, die schon viel zu lange kein Wasser mehr gesehen haben. Und wenn wir schon einmal beim Verallgemeinern sind: Die Moskauer sind Masochisten. Sonst würden Sie nicht in Schuhen rumlaufen, die zu klein, zu unbequem, zu stöcklig sind und auf keinen Fall das, was Herr Birkenstock empfiehlt.

Viele Blumenläden, viele Schuhläden - Darf man von einer Auffälligkeit in der Konsumlandschaft einer Stadt gleich auf die ganze Gesellschaft schließen? Man kann es ja mal versuchen. In meiner norddeutschen Heimatstadt zum Beispiel gibt es meiner Meinung nach überproportional viele Supermärkte und Apotheken. Ich halte deshalb – mich selbstverständlich ausgeschlossen – meine Mitmenschen generell für verfressen und hypochondrisch.

Das Komische: Es ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass Moskauer Frauen und Männer übermäßig botanisch interessiert wären. Blumen in der Öffentlichkeit sehe ich eigentlich nur, wenn Schulklassen geschlossen, jeder Schüler mit einer Nelke in der Hand, zum Ehrenmal wandern. Oder aber am Internationalen Frauentag, an dem offensichtlich aus rein traditionellen Gründen jeder Chef und Kollege, der morgens nicht mit einem riesigen Bouquet ankommt, mit Schimpf und Schande aus dem Büro gejagt wird. Gut, einige Male erblickte ich schon einen bleichen Jüngling, der mit der Rose in der verkrampften Faust auf dem Metro-Bahnsteig auf die Angebetete wartete. Aber allein von pupertierenden Jungen kann die aufgeblasene russische Blumenindustrie doch nicht leben. Kann aber gut sein, dass drei Anlässe im Jahr – Frauentag, Geburtstag, Valentinstag – genügen, um die Kassen zu füllen. Neulich erstand ich zwei Blümchen mit hängenden Köpfen, mit denen ich Gäste am Flughafen empfangen wollte. Ich hätte wohl genauso gut bei Greenpeace in einen Hektar Urwald investieren können. Preislich wäre dasselbe bei rausgekommen – ökologisch verantwortlicher wäre es sowieso. Bleibt also nur ein Schluss: Es gibt in Moskau viel zu viele Blumenläden für viel zu wenig Blumenliebhaber, die Moskauer hassen Blumen und sowieso alles, was grün ist.

Wenn man dann am Blumenladen vorbei ist, dauert es nicht lange und der erste Schuhladen taucht auf, danach die Schuhreparatur, danach der Fachhandel für Einlegesohlen. Keine Ahnung, warum die Russen so ein inniges Verhältnis zu ihrem Schuhwerk pflegen. Ein Bekannter, der mich regelmäßig besuchen kommt, weist nach der Begrüßung immer auf die Krönung seines Stylings, das untere Ende seines Kleidungs-Gesamtkunstwerks, hin. Mal wieder neue Schuhe, so teuer wie meine Monatsmiete, zwicken ein bisschen am großen Zeh, dafür aber echt Leder. Über die Stiletto-Absätze der Frauen, ist schon zu viel geschrieben worden. Am Ende fallen einen nur noch die Worte Selbstverstümmlung, Qual und – für die medizinisch Gebildeten - Wirbelsäulenverkrümmung ein.

Wenn nun also die Schuhe krank machen und die Blumen keiner will, warum gibt es dann aber so viele Läden, die genau diese Produkte verkaufen? Weil der Moskauer an sich – ohne Ausnahme - ein Masochist ist und das auch ein Blumenstrauß im Jahr nicht ändern kann. Quod erat demonstrandum!

East Side Gallery

„Jeder russische Mensch fühlt, wenn er auf Moskau blickt, dass es seine Mutter ist“, sagte der Schriftsteller Lew Tolstoi. Er hat nicht verraten, was die Stadt für Besucher aus der Fremde bereit hält. Ich bin gespannt...

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