Olé, Ola - Für immer Spartak Moskwa

Hansa krebst rum, Bayern ist schon wieder Spitzenreiter, Hertha BSC kämpft gegen den Abstieg. Ob der russische Fußball vielleicht mehr Abwechslung zu bieten hat? Für einen Crashkurs ist ein zünftiges Stadtderby besonders geeignet. Also: Spartak Moskau gegen Lokomotive Moskau am letzten Sonntag im März. Spartak gewinnt 2:1. Da passt es gut, wenn man im Spartak-Fanblock steht.

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Fußball macht blind und stumm. Beweis gefällig? Es läuft die elfte Spielminute. Vor ein paar Sekunden hat Marek Suchy, tschechischer Neuzugang von Spartak, geistesgegenwärtig den Ball über die Linie gestolpert – und schon liegt das Luschniki-Stadion unter einer Qualmwolke. So dicht wie schottischer Hochlandnebel und so beißend, dass die Stimmbänder kratzen. Es drängt sich die Frage auf: Wie haben die nur all die bengalischen Feuer durch drei Leibesvisitationen geschmuggelt? Mit dem Fußballgucken ist es für die nächsten Minuten vorbei. Zwischen „denen da unten“ und „uns hier oben“ liegt weißes Niemandsland.

Rein subjektiv betrachtet gab es nie einen besseren Zeitpunkt, um sich von der Bundesliga ab- und der russischen Premier-Liga zuzuwenden. Der heimische Lieblingsverein Hansa Rostock befreit sich gerade mit Ach und Krach aus der Abstiegszone – der Zweiten Liga wohlgemerkt. Und beim kicker-Managerspiel, dem Onlinespaß für alle Möchtegern-Jogi-Löws, zeigte die Tabelle beim letzten Besuch einen Platz nahe der 20 000 an. Im Übrigen auch wegen eines russischen Spielers namens Pawel Pogrebnjak, der regelmäßig Minuspunkte einheimst. Und wenn schon Fußball in Moskau, dann richtig. Spartak gegen Lokomotive. Alle russischen Bekannten halten das für eine schlechte Idee. Die Reaktionen gleichen sich: „Bist du verrückt? Das ist total gefährlich!“

Die Wirklichkeit ist dann doch ein bisschen anders. Der Stadionbesuch gleicht eher einem Sonntagnachmittag-Spaziergang. Nur eben in Begleitung einer Horde Männer, die so aussehen, als trügen sie die ganze Last des Erdballes auf ihren Schultern. Die schönste Nebensache der Welt – in Russland ist das eine bierernste Angelegenheit. Kein Platz für alberne Hüte und Vereinsfarben auf den Wangen. Das ist etwas für die Spinner von Manchester bis München. Der gemeine russische Fan trägt dunkelgrau bis schwarz, allenfalls noch einen Schal, besser nur einen unscheinbaren Button am Jackenkragen. Das, was sich noch am ehesten nach Gefahr anfühlt, ist der Weg zum Spiel. In der Metro presst sich Spartak-Fan an Spartak-Fan. „Willkommen in der Hölle“, keucht der Nebenmann.

Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten, wusste schon Sepp Herberger. Und diese 90 Minuten sind zum Singen da. Das Schöne daran: Was da von den Moskauer Tribünen erschallt, kann auch bewältigen, wer im Russischen noch nicht mehr als den Grundwortschatz beherrscht. Die gesammelten Variationen von „Olé“, „Ola“ und „Heho“ reichen locker, um ausgiebig mitzugrölen, als Spartaks Brasilianer Ari das entscheidende 2:0 schießt. Und überhaupt: Nur Schwächlinge setzen sich hin.

Spartak gegen Lokomotive – das ist in der jungen russischen Saison noch kein Spitzenspiel. Lokomotive liegt auf Platz acht. Spartak als Vorjahreszweiter rangiert sogar einen Platz dahinter. Der Serienmeister des postsowjetischen Russlands hechelt seit neun Jahren den alten Erfolgen hinterher. Das Bemühen ist ebenso wenig von Erfolg gekrönt wie die Absicht, in ein eigenes Stadion umzuziehen. Der Bau liegt wieder einmal auf Eis. Und so tritt Spartak weiterhin im Luschniki-Stadion an, wo man selbst bei Heimspielen nur Gast ist. An die 80 000 Zuschauer passen da rein. Beim Derby ist es kaum zur Hälfte gefüllt. Nur zweimal pro Jahr, bei den Spielen gegen den Erzrivalen ZSKA ist ausverkauft - manchmal. Die restlichen 14 Begegnungen – zuschauermäßig ein Trauerspiel.

Da ich ja spätestens seit der EM 2008 als Kennerin des russischen Fußballs bekannt bin, hier noch meine Einschätzung zum Spiel: Es war sehenswert - schnell, direkt, fair. All das, was den russischen Fußball so bewundernswert machte, bevor die gescheiterte Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Südafrika das Land ins Jammertal stürzte. Spartak war an diesem Tag nicht einen Deut besser, aber da ich im Stadion war, hats trotzdem gereicht. Damit steht die Beziehung Spartak - Diana unter einem besseren Stern, als die Beziehung Diana-Hansa Rostock jemals stand. Die haben ja bei meinem ersten Besuch haushoch verloren. Wegen eines gewissen Olaf Bodden.

East Side Gallery

„Jeder russische Mensch fühlt, wenn er auf Moskau blickt, dass es seine Mutter ist“, sagte der Schriftsteller Lew Tolstoi. Er hat nicht verraten, was die Stadt für Besucher aus der Fremde bereit hält. Ich bin gespannt...

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erik-n - 26. Feb, 12:13
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Menschchen - 21. Jun, 13:26
Крута!
...und ich dachte, ich wär mutig am 28. April in den...
Хайди (Gast) - 12. Mai, 12:33
Danke
Die königlichen Würden werden mir völlig zu Recht verliehen....
Mischkala - 15. Mär, 08:52
Whoa...
... Respekt. Das wollte ich auch immer mal machen,...
KrishA (Gast) - 13. Mär, 18:19
Kalt, Kälter, Eisbaden
Ok, das Foto ist etwas verschwommen, aber als Beweisfoto...
Mischkala - 22. Feb, 16:23
Alles besenrein
Als ich das erste Mal das Wort „Broomball“ hörte,...
Mischkala - 18. Feb, 13:54
Go for Präsidentenberater
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Mischkala - 16. Feb, 16:20

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