Wildes Russland
Der Name des Dorfes wird nicht verraten. Nennen wir es der Einfachheit halber K. In K also, hat irgendwann mal jemand ein bisschen Sand auf die Zahnräder aller Uhren gestreut und seitdem läuft die Zeit dort, an der russisch-lettischen Grenze etwas langsamer. Und wenn dann der Winter kommt, der Schnee die Straßen unbefahrbar macht und der Wind an den alten Holzhütten zerrt, kommt der Lauf der Welt ganz zum Erliegen.
Für viele Menschen wird die Eis- und Einsamskeits-Hölle K unerträglich, sobald sie alt genug sind, sich einen eigenen Führerschein zu kaufen. Sie verlassen K und die ganze gottverdammte Gegend. Nur die Alten bleiben. Kolja zum Beispiel, dessen Beine die vielen Lebensjahre gekrümmt haben. Im Frühjahr ist seine Kuh gestorben. Eine neue will er sich nicht mehr kaufen. Jetzt ist noch das Pferd da. Im Frühjahr will Kolja es wieder vor den Pflug spannen. Was nächstes Jahr wird? Kolja will das Pferd wohl verkaufen.
Man begegnet den Bewohnern auf den Spaziergängen durch die Schneewüste. Die Körper und Gesichter vermummt. Sie erzählen von ihrem letzten Einkauf. Und vom Veteranen dort drüben auf der anderen Flussseite. Man sagt, er habe in irgendeinem großen Krieg gekämpft. Und man sagt, man habe ihm deshalb extra eine eigene Telefonleitung unter dem Fluss durchgelegt.
Nich alle fliehen aus K. Ein paar junge Menschen aus Russland und Deutschland haben dort eine Hütte gekauft und wieder bewohnbar gemacht. Es gibt kein fließend Wasser, dafür einen steinernen Ofen in der Küche. Kein Telefon, aber säckeweise Kartoffeln, Rote Beete und Knoblauch im Vorratskeller. Nur ein Plumpsklo, aber dafür eine Holzbanja, in der der Ofen jeden Abend glüht vor Hitze. Man kann die Hütte nicht mieten. Aber man kann Glück haben und für ein paar Tage in dieses Paradies eingeladen werden.
Mischkala - 21. Feb, 10:27
Einen kleinen Hinweis habe ich für den letzten Eintrag. Du verrätst den Namen des Dorfes nicht, aber Deine Bilder sind alle mit "Kaschewo" benannt. Das war bestimmt nicht so gedacht, oder? Vielleicht kannst Du es schnell noch ändern, bevor der Besuchersturm dort losgeht. So viele Touristen in Kaschewo...
Viele Grüße!
Namen, nichts als Namen