Gaga am Eisloch
Von der Qual beim Eisbaden und der Qual davor
Höchstens fünf Sekunden und dann ist alles vorüber. Die Hände krallen sich an der vereisten Stahlleiter fest, der Mund ist weit aufgerissen, das Wasser schlägt dumpf klatschend über dem schwarzen Haarschopf zusammen. Eisbaden sieht nicht wirklich nach dem gesunden Spaß aus, von dem in Russland immer die Rede ist. Wer genau hingehört hat, konnte noch die letzten Worte vernehmen, die Markus Klinginger gemurmelt hat, bevor er in den dunklen Tümpel hinabstieg: „Ich glaube, das ist die dümmste Idee, die ich jemals hatte.“
Es ist die Nacht zum 19. Januar. In Russland einer der höchsten Feiertage der orthodoxen Kirche. Die Menschen gedenken der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer. Dafür, so will es die Tradition, sollte man in das geweihte Wasser eines Flusses oder eines Sees springen und dreimal untertauchen. Der Lohn für die Tortur: Der Segen Gottes. Das ändert jedoch nichts daran, dass man laut Markus Klinginger „tendenziell gaga“ sein muss, um in einer klirrend kalten Januarnacht in den See im Serebrjanyj Bor (Silberner Nadelwald) im Westen Moskaus zu steigen. Da schließt er sich und seinen Kollegen von der deutschen Botschaft, Waldemar Funk, ausdrücklich mit ein. Sie sind Novizen in dieser myteriösen „Sportart“, beide knapp über 30, im besten Eisbadealter also. Markus Klinginger hat mal im Fernsehen einen Beitrag darüber gesehen und gedacht: „Das muss ich auch machen.“ In der Sendung wurde allerdings nichts davon erzählt, wie quälend die Qual vor dem Eisbaden ist.
Da steht man nun am Seeufer, mitten in einer Menschenmasse, die nur noch ein notdürftiges Eisengitter, Miliz mit der Statur von Bodybuildern und der gute Glaube zusammenhält. Mitternacht ist lange vorbei. Von den nackten Körpern, die vorbeihuschen, steigen Dampfschwaden auf, die in der Luft hängen bleiben. Vom See her klingt erst der monotone Gesang von Bischof Mark Jegorjewskij herüber, der das Wasser weiht, später die Schreie der ersten Badenden, von denen man nicht genau weiß, ob sie vor Schmerz oder Freude brüllen. Diese Minuten und die letzte Luft zum Atmen nutzt Waldemar Funk, für einen kleinen medizinischen Exkurs. Beim Baden im kalten Wasser heize der Körper sich in Sekundenbruchteile auf. Viren und allem, was dem Körper sonst noch Böses wollen könnte, wird der Garaus gemacht. Waldemar Funk rechnet mit einem äußerst gesunden Jahr 2010. Also doch eine empfehlenswerte Sache, das Eisbaden.
Daran muss man nur ganz fest glauben, wenn man später sieht, wie Waldemar Funk im Wasser schwimmend nach Luft schnappt. Oder wie Markus Klinginger, kaum dem See entstiegen, schlotternd von einem Bein aufs andere hüpft, weil die blanken Füße am eisigen Untergrund festzufrieren drohen. Vom Wasser selbst geht die geringste Bedrohung aus. Kein Wunder. Bei minus 18 Grad Außentemperatur kann einem das vier Grad warme Wasser schon mal wie eine heiße Badewanne vorkommen. „Zweimal eintauchen war ok“, sagt Markus Klinginger. Das dritte Mal kostet Überwindung. Dann nämlich hat sich der Körper von der anfänglichen Schockstarre erholt und verlangt: „Nur noch raus hier!“
Waldemar Funk und Markus Klinginger erzählen später davon, wie gut sie sich jetzt fühlen. Die Körper sind warm, nur die Füße bleiben kalt. Beim Spaziergang zum Auto werden neue Pläne geschmiedet. „Und Waldi“, fragt Markus Klinginger in seiner deutlich hörbaren Münchner Mundart, „Was machen wir als nächstes?“ Der Kollege zögert nicht eine Sekunde. „Wie wäre es mit richtigem Eisbaden? Nicht nur dreimal untertauchen, sondern richtig eine Runde kraulen.“
Höchstens fünf Sekunden und dann ist alles vorüber. Die Hände krallen sich an der vereisten Stahlleiter fest, der Mund ist weit aufgerissen, das Wasser schlägt dumpf klatschend über dem schwarzen Haarschopf zusammen. Eisbaden sieht nicht wirklich nach dem gesunden Spaß aus, von dem in Russland immer die Rede ist. Wer genau hingehört hat, konnte noch die letzten Worte vernehmen, die Markus Klinginger gemurmelt hat, bevor er in den dunklen Tümpel hinabstieg: „Ich glaube, das ist die dümmste Idee, die ich jemals hatte.“
Es ist die Nacht zum 19. Januar. In Russland einer der höchsten Feiertage der orthodoxen Kirche. Die Menschen gedenken der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer. Dafür, so will es die Tradition, sollte man in das geweihte Wasser eines Flusses oder eines Sees springen und dreimal untertauchen. Der Lohn für die Tortur: Der Segen Gottes. Das ändert jedoch nichts daran, dass man laut Markus Klinginger „tendenziell gaga“ sein muss, um in einer klirrend kalten Januarnacht in den See im Serebrjanyj Bor (Silberner Nadelwald) im Westen Moskaus zu steigen. Da schließt er sich und seinen Kollegen von der deutschen Botschaft, Waldemar Funk, ausdrücklich mit ein. Sie sind Novizen in dieser myteriösen „Sportart“, beide knapp über 30, im besten Eisbadealter also. Markus Klinginger hat mal im Fernsehen einen Beitrag darüber gesehen und gedacht: „Das muss ich auch machen.“ In der Sendung wurde allerdings nichts davon erzählt, wie quälend die Qual vor dem Eisbaden ist.
Da steht man nun am Seeufer, mitten in einer Menschenmasse, die nur noch ein notdürftiges Eisengitter, Miliz mit der Statur von Bodybuildern und der gute Glaube zusammenhält. Mitternacht ist lange vorbei. Von den nackten Körpern, die vorbeihuschen, steigen Dampfschwaden auf, die in der Luft hängen bleiben. Vom See her klingt erst der monotone Gesang von Bischof Mark Jegorjewskij herüber, der das Wasser weiht, später die Schreie der ersten Badenden, von denen man nicht genau weiß, ob sie vor Schmerz oder Freude brüllen. Diese Minuten und die letzte Luft zum Atmen nutzt Waldemar Funk, für einen kleinen medizinischen Exkurs. Beim Baden im kalten Wasser heize der Körper sich in Sekundenbruchteile auf. Viren und allem, was dem Körper sonst noch Böses wollen könnte, wird der Garaus gemacht. Waldemar Funk rechnet mit einem äußerst gesunden Jahr 2010. Also doch eine empfehlenswerte Sache, das Eisbaden.
Daran muss man nur ganz fest glauben, wenn man später sieht, wie Waldemar Funk im Wasser schwimmend nach Luft schnappt. Oder wie Markus Klinginger, kaum dem See entstiegen, schlotternd von einem Bein aufs andere hüpft, weil die blanken Füße am eisigen Untergrund festzufrieren drohen. Vom Wasser selbst geht die geringste Bedrohung aus. Kein Wunder. Bei minus 18 Grad Außentemperatur kann einem das vier Grad warme Wasser schon mal wie eine heiße Badewanne vorkommen. „Zweimal eintauchen war ok“, sagt Markus Klinginger. Das dritte Mal kostet Überwindung. Dann nämlich hat sich der Körper von der anfänglichen Schockstarre erholt und verlangt: „Nur noch raus hier!“
Waldemar Funk und Markus Klinginger erzählen später davon, wie gut sie sich jetzt fühlen. Die Körper sind warm, nur die Füße bleiben kalt. Beim Spaziergang zum Auto werden neue Pläne geschmiedet. „Und Waldi“, fragt Markus Klinginger in seiner deutlich hörbaren Münchner Mundart, „Was machen wir als nächstes?“ Der Kollege zögert nicht eine Sekunde. „Wie wäre es mit richtigem Eisbaden? Nicht nur dreimal untertauchen, sondern richtig eine Runde kraulen.“
Mischkala - 20. Jan, 09:55